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Europa im Islam – Islam in Europa

Islamische Konzepte zur Vereinbarkeit von religiöser und bürgerlicher Zugehörigkeit

von Vivien Neugebauer (Autor:in)
©2016 Dissertation 479 Seiten

Zusammenfassung

Wie ist es möglich, Bürger Europas und gleichzeitig Muslim zu sein? Die Autorin vergleicht aus differenzhermeneutischer Perspektive die Antworten von drei zeitgenössischen muslimischen Denkern. Sie zeigen, dass Europa und Islam durchaus zusammen gedacht werden können. Durch den Vergleich wird aber auch ein innerislamisches Spannungsfeld deutlich. Dieses bildet nicht nur die Vielfalt islamischer Wege ab, sondern stellt auch die kategoriale Unterscheidung von «islamisch» und «nichtislamisch» in Frage. Unter Betrachtung von Fragen der Partizipation, der Religionsfreiheit und des Miteinanders in einer wertepluralen Gesellschaft sind diese muslimischen Ansätze wertvolle Stimmen im Diskurs, wenn es nicht mehr nur darum geht, ob der Islam in Europa beheimatet werden kann – sondern «wie».

Inhaltsverzeichnis

  • Cover
  • Titel
  • Copyright
  • Autorenangaben
  • Über das Buch
  • Zitierfähigkeit des eBooks
  • Danksagung
  • Inhaltsverzeichnis
  • Einleitung: Wie kann der Islam zu Europa gehören?
  • Zur Terminologie
  • Zum Aufbau der Arbeit
  • 1. Islam und Europa: Entwicklungen, Bedingungen und Diskurse
  • 1.1 Historischer Aufriss – Die Entdeckung der Muslime
  • 1.1.1 Muslime in Westeuropa
  • 1.1.2 Die Entdeckung einer „neuen islamischen Präsenz“
  • 1.1.2.1 Das Jahr 1989 als Wendepunkt: Religion als Konfliktpotential?
  • Die „Rushdie-Affäre“ in Großbritannien
  • Die „Kopftuch-Affäre“ in Frankreich
  • 1.1.3 Die Anfänge europäischer Islamforschung
  • 1.1.3.1 Zum Islamverständnis in Westeuropa
  • 1.2 Aktuelle Forschungsansätze zum Islam in Westeuropa
  • 1.2.1 Ansätze zu islamischen Lebenswelten von Muslimen in Westeuropa
  • 1.2.1.1 Zwischen Kontinuität und Diskontinuität islamischen Lebens
  • 1.2.1.2 Individualisierung islamischer Zugehörigkeit
  • 1.2.1.3 Religiöse Autoritäten für das islamische Leben in Westeuropa
  • 1.2.1.4 Spannungsfeld islamischer Zugehörigkeit
  • 1.2.1.5 Repräsentativität von islamischen Gemeinschaften
  • 1.2.1.6 Welchen Anteil hat der Islam am Islamkonflikt?
  • 1.2.1.7 Zusammenschau der lebenswirklichen Dimension
  • 1.2.2 Ansätze zur westeuropäischen Vorstellung von Religion: Nationalstaatliche Bedingungen islamischen Lebens in Westeuropa
  • Religionsfreiheit in Westeuropa
  • Islam im säkularen Rechtsstaat
  • 1.2.2.1 Westeuropas nationalstaatliche Bedingungen für den Islam
  • 1.2.2.1.1 Das nationalstaatliche Religionsrecht: Nationalstaatliche Kirchenrechtsmodelle in Westeuropa – Großbritannien, Frankreich und Deutschland
  • Großbritannien
  • Frankreich
  • Deutschland
  • Zusammenschau der Kirchenrechtsmodelle
  • 1.2.2.1.2 Die nationalstaatlichen Gesinnungen in Westeuropa – Großbritannien, Frankreich und Deutschland
  • Großbritannien
  • Frankreich
  • Deutschland
  • Zusammenschau der nationalstaatlichen Gesinnungen
  • 1.2.2.1.3 Kritische Diskursreflektion zur (religionspolitischen) Verhandlung einer nationalstaatlichen Integration des Islam
  • 1.2.2.1.4 Zusammenschau der Dimension der nationalstaatlichen Bedingungen und ihre Kritik
  • 1.2.3 Europa-Konzepte: Ansätze zur Verhandlung von Vereinbarkeit im konzeptionellen Identitätsdiskurs
  • Welches Europa?
  • 1.2.3.1 Historische Begegnungspunkte – Der Islam in Europa
  • Der Islam als Teil europäischer Kulturgeschichte
  • Der Islam als Europas „Anderes“
  • Die „traditionelle islamische Präsenz“
  • 1.2.3.2 Konzeptionelle Verortung von Religion und Islam in Europa
  • Auf der Suche nach Europas (zukünftiger) Identität
  • 1.2.3.2.1 Europa ohne christliche Bezüge
  • 1.2.3.2.2 Europa mit christlichen Bezügen
  • 1.2.3.3 Zur Gestaltung einer pluralen europäischen Religionskultur
  • 1.2.3.3.1 Wiederkehr der Religion – Ende eines säkularen Zeitalters?
  • 1.2.3.3.2 Säkularismus als bewährtes Modell?
  • Strenge Religionsneutralität
  • 1.2.3.3.3 Zusammenschau der konzeptionellen Dimension
  • 1.2.4 Islamische Europa-Konzepte: Ansätze zur Verhandlung von Vereinbarkeit von Islam und Europa aus muslimischer Perspektive
  • 1.2.4.1 Konzepte für das islamische Leben in Westeuropa
  • Der „Euro-Islam” – Der Beginn öffentlicher Diskussion islamischer Konzepte?
  • 1.3 Fragestellung der Arbeit
  • 1.3.1 Zur Entstehung der Fragestellung
  • 1.3.2 Positionierung im Forschungsfeld: Muslimische Konzepte eines „europäischen Islams“
  • 1.3.3 Auswahl islamischer Positionen
  • 2. Methodisches Vorgehen
  • 2.1 Methodische Positionierung
  • Differenzhermeneutik
  • 2.2 Methodische Vorgehensweise
  • 2.2.1 Methodisches Vorgehen zur inhaltlichen Rekonstruktion der Konzepte: Die Qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring
  • 2.2.1.1 Das Material
  • Auswahlkriterien und die daraus resultierende Auswahl des Materials
  • Zur Entstehung des Materials
  • Beschreibung des Materials
  • 2.2.1.2 Richtung der Analyse
  • 2.2.1.3 Theoriegeleitete Differenzierung der Fragestellung
  • 2.2.1.4 Zusammenfassende und explikative Inhaltsanalyse als Analysetechnik
  • 2.2.1.5 Zum Ablauf der Konzeptgenerierung
  • 2.2.2 Methodisches Vorgehen für den Vergleich: Thematisches Kodieren
  • 3. Tariq Ramadan: Das Konzept von Europa als Raum der Bezeugung
  • 3.1 Ausgangssituation
  • 3.1.1 Die westeuropäische Identitätskrise
  • 3.1.2 Die Gefahr der Extreme
  • 3.1.3 Eine islamische und eine nichtislamische Welt
  • Die islamische Welt: Dar al-islam
  • Die nichtislamische Welt: Dar al-harb
  • Revision des Dar-Konzepts
  • 3.2 Die islamische Zugehörigkeit für Europa – Die Voraussetzungen für die Vereinbarkeit islamischer und bürgerlicher Zugehörigkeit
  • 3.2.1 Verständnis des Islams
  • Islamische Zugehörigkeit: Bewahrung und Entfaltung
  • 3.2.2 Europa für die Muslime: Wertegemeinschaft der Menschenrechte
  • 3.3 Vereinbarkeit von islamischer und bürgerlicher Zugehörigkeit in Europa
  • 3.3.1 Europa als Raum der Bezeugung
  • Frage der Loyalität
  • 3.4 Spannungsverhältnis von islamischer Zugehörigkeit und säkularer Gesellschaft
  • 3.4.1 Zur Anwendung des islamischen Rechts in Europa
  • Idschtihad – Auslegung mittels Verstand
  • 3.5 Vision für die Muslime in Europa
  • 3.5.1 Die islamische Ethik – Maßstab für das islamische Leben in Westeuropa
  • 3.5.2 Islamischer Transformationsprozess
  • 3.5.3 Muslime als Bürger Europas: Partizipation ohne Assimilation
  • Ein neues „Wir“
  • 3.6 Zusammenfassung und Diskussion
  • Flexibilität
  • Identitätspolitik
  • Begrenzende Identitätspolitik
  • Begrenzte Abgrenzung
  • 4. Mustafa Cerić: Das Konzept von Europa als Haus des Gesellschaftsvertrages
  • 4.1 Ausgangssituation
  • 4.2 Europa als Haus des Gesellschaftsvertrages
  • Prinzip des Vertrags
  • 4.2.1 Der Rahmen der Zugehörigkeiten: Vertrag und Bund
  • Vertrag und Bund im Spannungsverhältnis
  • 4.2.2 Inhaltliche Bedingungen des Gesellschaftsvertrags
  • 4.2.2.1 Erwartungen an die Muslime in Europa
  • Islamische Zugehörigkeit
  • Bürgerliche Zugehörigkeit
  • Vereinbarkeit durch integrative Muslime
  • Zusammenbringen von Ost und West
  • 4.2.2.2 Erwartungen an die Europäische Union
  • 4.2.2.3 Erwartungen an die muslimische Welt
  • 4.3 Umsetzung des Gesellschaftsvertrags
  • 4.3.1 Eine islamische Autorität für Europas Muslime
  • 4.3.2 Islamisches Leben in Westeuropa
  • Als Muslim seine Loyalitäten erweisen – „Aber wir leben in Europa.“
  • 4.3.3 Europa als Ort einer neuen islamischen Gemeinschaft
  • Europas Muslime als Orientierungspunkt
  • 4.4 Zusammenfassung und Diskussion
  • Fehlende Transparenz
  • Status der Gemeinschaft
  • Status der Scharia
  • 4.5 Cerićs Konzept in seinem Kontext: Der Islam in Bosnien-Herzegowina
  • 4.5.1 Der Islam in Bosnien als europäischer Islam
  • 4.5.1.1 Schlüsselmomente zum Verständnis der „bosnischen Erfahrung des Islams“
  • Islam-Reform zu Beginn des 20. Jahrhunderts
  • Die „bosnische Erfahrung des Islams“ im 20. Jahrhundert
  • Die „bosnische Erfahrung des Islams“ – eine junge Selbstverortung
  • 4.5.2 Zusammenfassung der „bosnischen Erfahrung des Islams“
  • 4.6 Das Konzept des muslimischen Gesellschaftsvertrages im Rahmen der „bosnischen Erfahrung des Islams“
  • 5. Vergleich 1: Die Konzepte von Tariq Ramadan und Mustafa Cerić
  • 5.1 Die Vereinbarkeit von bürgerlicher und islamischer Zugehörigkeit: Europa- und Islamverständnis
  • 5.1.1 Die Bestimmung von Europa
  • 5.1.1.1 Möglichkeiten für den Islam in Europa
  • Vergemeinschaftung
  • Reform
  • Partizipation
  • 5.1.1.2 Das Bild von Europa
  • Rhetorik und Begriffskonzepte der Differenz
  • 5.1.1.3 Wie die Konzepte Europa verstehen (wollen)
  • 5.1.2 Das Verständnis des Islams
  • 5.1.2.1 Gott-Mensch-Beziehung
  • 5.1.2.2 Funktion des Islams in Europa
  • 5.1.3 Vereinbarkeit
  • 5.1.3.1 Anpassung der islamischen Zugehörigkeit
  • Die Rolle von Vernunft für die Gestaltung von Vereinbarkeit
  • Inkulturation des Islams
  • 5.1.3.2 Möglichkeiten und Grenzen der Anpassung
  • Eine primäre Loyalität
  • 5.1.4 Wahrnehmung von Konflikten
  • Verlust von religiösem Leben und religiöser Gemeinschaft
  • Außenwahrnehmung und Fremdzuschreibung
  • Zur Rückständigkeit von Kultur und Scharia
  • 5.2 Vergleich anhand induktiver Kodes
  • 5.2.1 Zielgruppenorientierung
  • 5.2.2 Motive und Ziele
  • Europas Muslime als sichtbare und eigenständige Akteure
  • Visionen für die Wirksamkeit der europäischen Muslime: Über Europas Grenzen hinaus
  • 5.2.3 Formen des Miteinanders in Europa
  • Austausch und Kooperation in Europa
  • Bedingungen für das Zusammenleben und eine bestmögliche Vereinbarkeit
  • Form der Beheimatung
  • 5.3 Inhaltliche Metaebene
  • 5.3.1 „Othering“ und „Saming“
  • 5.3.2 Islamische Grundlage zur Legitimation
  • 5.3.3 „Framing“ von islamischen Konzepten
  • 5.3.4 Islamische Autorität
  • Deutungsmonopol in Europa
  • 5.3.5 Die Muslime Westeuropas als Gemeinschaft
  • Vergemeinschaftung
  • Diaspora als Vergemeinschaftungsmotiv
  • 5.4 Zwischenbetrachtung Vergleich 1
  • 6. Navid Kermani: Konzept der De-Essentialisierung
  • 6.1 Ausgangssituation
  • 6.2 Vereinbarkeit durch De-Essentialisierung
  • 6.3 Verständnis des Islams
  • 6.3.1 Islam als vielfältiges Phänomen
  • 6.3.2 Islamische Mystik
  • Vielfalt durch Offenheit
  • Das erlebende Subjekt
  • Religion ästhetisch erfahren
  • 6.4 Europa als Ort der Vielfalt
  • Universalität europäischer Freiheiten
  • 6.4.1 Die europäische Idee als Maßstab
  • 6.5 Vereinbarkeit von islamischer und bürgerlicher Zugehörigkeit
  • 6.5.1 Das Verhältnis von islamischer und bürgerlicher Zugehörigkeit
  • 6.5.1.1 Gleichzeitige Zugehörigkeit
  • 6.5.2 Zur Toleranz in der Debatte um Zugehörigkeit
  • Toleranz im interreligiösen Dialog
  • Toleranz in westeuropäischen Gesellschaften
  • 6.6 Integration des Islams in Europas Nationalstaaten
  • 6.7 Zusammenfassung und Diskussion
  • Anschlussfähigkeit durch Mystik
  • Konzept des Nicht-Konzept
  • Vorstellung von Vereinbarkeit
  • Ausgestaltung von Religion
  • 7. Vergleich 2: Die Konzepte von Tariq Ramadan, Mustafa Cerić und Navid Kermani
  • 7.1 Die Vereinbarkeit von islamischer und bürgerlicher Zugehörigkeit: Europa- und Islamverständnis
  • 7.1.1 Das Verständnis von Europa
  • Wie die Konzepte Europa verstehen (wollen)
  • 7.1.2 Das Verständnis des Islams
  • 7.1.2.1 Gott-Mensch-Beziehung
  • 7.1.2.2 Funktion des Islams in Europa
  • 7.1.3 Vereinbarkeit
  • Vereinbarkeit als Konzept?
  • 7.1.3.1 Anpassung der Zugehörigkeiten
  • Inkulturation des Islams
  • Die Rolle von Vernunft für die Gestaltung von Vereinbarkeit
  • Vereinbarkeit in (begrifflicher) Varianz
  • 7.1.3.2 Grenzen der Anpassung
  • Eine primäre Loyalität
  • 7.1.4 Wahrnehmung von Konflikten
  • Außenwahrnehmung und Fremdzuschreibung
  • Wahrnehmung eines Vereinbarkeitskonflikts
  • Die Scharia als problematischer Aspekt zur Integration?
  • Der Umgang mit Konflikten
  • 7.2 Induktiver Vergleich
  • 7.2.1 Zielgruppenorientierung
  • 7.2.2 Motive und Bedingungen der Beheimatung?
  • Anerkennung
  • Die Muslime als Akteure
  • Die Muslime als eigenständige Akteure
  • Sichtbarkeit
  • 7.2.3 Formen des Miteinanders in Europa
  • 7.3 Inhaltlicher Metaebenen-Vergleich
  • 7.3.1 Synergetische Begriffsbestimmung
  • 7.3.2 Islamische Grundlagen zur Legitimation
  • 7.3.3 Islamische Autorität
  • 7.3.4 „Islamisch“ – Kategorisierung versus Dekategorisierung
  • 7.3.5 Apologie des Islams
  • 8. Perspektiven und Grenzen der Vereinbarkeit aus muslimischer Sicht
  • 8.1 Dimensionen des Vereinbarkeitskonflikts
  • Konflikte und Aufgaben für das islamische Leben in Westeuropa
  • Dazugehören in gemeinsamer Verantwortung
  • 8.2 Das Verständnisspektrum als Ausgangspunkt für die Vereinbarkeit: Europa und Islam
  • 8.2.1 Ein öffnendes Europaverständnis
  • Deutende Ausgangspunkte zum Verständnis von Europa
  • Europa in der Gegenwart bestimmen
  • 8.2.2 Ein sich eingliederndes Islamverständnis
  • Gott-Mensch-Beziehung
  • Autorität der Religion
  • Religion und Kultur
  • 8.3 Möglichkeiten der Vereinbarkeit: Zwischen Flexibilität und Erhalt
  • 8.3.1 Flexibilität der Zugehörigkeiten
  • Flexibilisierung des Europaverständnisses
  • Flexibilisierung der islamischen Zugehörigkeit
  • Umdeutung des Spannungsverhältnisses: Vom Konflikt- zum Entwicklungspotential
  • 8.3.2 Erhalt
  • Schutz
  • Islamische Normen
  • Islamische Legitimierung der Europa-Konzepte
  • 8.3.3 Balanceakt Flexibilität und Erhalt
  • Teilhabe an der westeuropäischen Kultur
  • Erhalt in der Anpassung
  • Religiöse Autonomie
  • Binnenwirkung
  • Integrative und desintegrative Tendenzen
  • 8.4 Beheimatung des Islams – Aneignung des Europäischen
  • Die westeuropäische Verortung des Islams
  • Westeuropäische Bürger als sichtbare oder nicht-sichtbare Muslime
  • Muslime als mündige Bürger Europas
  • 8.5 Zusammenschau der Perspektiven und Grenzen der Vereinbarkeit aus muslimischer Sicht
  • 9. Ergebnisse
  • 9.1 Ergebnisse zur konzeptionelle Vereinbarkeit von islamischer und bürgerlicher Zugehörigkeit
  • Analytische Vorüberlegungen
  • 9.1.1 Der Vereinbarkeitskonflikt für Muslime in Westeuropa
  • „Bürgerliche“ Muslime
  • Grenzen bürgerlicher Zugehörigkeit
  • Balanceakt bürgerliche Zugehörigkeit
  • 9.1.2 Tendenzen
  • Vereinbarkeit als Akt der Emanzipation
  • Ausdifferenzierung in der Vereinbarkeit
  • 9.1.3 Europa als Katalysator für Konflikte zwischen islamischer und bürgerlicher Zugehörigkeit für die Muslime?
  • Ein „europäischer“ Konflikt?
  • Allgemein zur Betrachtung von Vereinbarkeit islamischer und bürgerlicher Zugehörigkeit
  • 9.2 Schluss: Differenzhermeneutische Perspektiven für die christlich-europäische Identität
  • 9.2.1 Anpassungsleistung und Beheimatung
  • In welchem Europa beheimaten?
  • 9.2.2 Konsequenzen für den weiteren Aushandlungsansatz
  • Potential Offenheit
  • Potential Anpassung
  • Identifikation von Problembereichen
  • Konflikte als Bestandteil der Gestaltung
  • 9.2.3 Konsequenzen für einen differenzhermeneutischen Ansatz
  • Differenzhermeneutischer Zugewinn für die christliche Identität
  • 9.3 Ausblick
  • Literaturverzeichnis
  • Zeitungsartikel
  • Internetquellen
  • Abbildungsverzeichnis

← 18 | 19 →

Einleitung:  Wie kann der Islam zu Europa gehören?

Faktisch gesehen gehört der Islam schon längst zu Europa. Geschätzte 16 bis 18 Millionen Muslime leben heute in Westeuropa (vgl. Fürlinger 2013, 59).1 Damit hat sich der Islam zur zweitgrößten Religion Europas entwickelt (Malik 2006; Minkenberg 2012). Insbesondere mit dem vermehrten sicherheitspolitischen Interesse nach den terroristischen Anschlägen in den USA im Jahr 2001 etablierte sich ein umfangreiches Integrationsprogramm (vgl. Luft 2014, 391).2 Damit verbunden ist einerseits die Frage, wie sich die Residenzgesellschaft und andererseits die muslimische Community dazu verhalten. Viele Muslime fühlen sich längst gerade auch religiös in Europa Zuhause (z. B. Stiftung Zentrum für Türkeistudien 2004, 36f.; Brettfeld & Wetzels 2008; Idriz 2010). Ein eindeutiges Zeichen in diese Richtung setzte auch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, sowie Wolfgang Schäuble und Christian Wulff, als sie den Islam als Teil Deutschlands bezeichnete.3 Das Ziel einer anerkannten Beheimatung des Islam treibt westeuropäische Gesellschaften im Allgemeinen (vgl. Pickel & Hidalgo 2013)4 wie ihre Muslime im Speziellen (vgl. John 2010, 220f.; Klausen 2006, 68ff.; Malik 2006, 105f.) gleichermaßen um. In den letzten Jahren haben die Mühen im Verhandlungsprozess um seine Beheimatung sichtbare Früchte getragen.5 In Deutschland ist der Islam dabei sogar in eine der traditionellsten Institutionen der Gesellschaft vorgedrungen: Seit wenigen Jahren nimmt auch die Verankerung des Islam als Fach an den deutschen Universitäten konkrete Formen an. ← 19 | 20 → Ausgehend von den 2010 ausgesprochenen Empfehlungen des Wissenschaftsrates als wichtigstes wissenschaftspolitisches Beratungsgremium Deutschlands können Muslime gegenwärtig an den Islam-Zentren Tübingen, Erlangen-Nürnberg, Frankfurt am Main, Münster mit Osnabrück zu Lehrern und Theologen ausgebildet werden (Scheliha 2012, 28f.). Dieser Schritt bedeutet eine tiefgehende und nachhaltige Einschreibung des Islam in die deutsche Gesellschaft (vgl. Rachel 2013, 123ff.). Dieser Integrationserfolg ist jedoch getrübt durch jüngere Entwicklungen am Zentrum für Islamische Theologie der Westfälischen Universität Münster.6 Sie spiegeln die innergemeinschaftliche Spannung, die der Beheimatungsprozess katalysiert:

Im Herbst 2013 wurden eben diese innergemeinschaftlichen Spannungen öffentlich, als der Koordinationsrat der Muslime (KRM)7 seine Zusammenarbeit mit dem Münsteraner Professor Mouhanad Khorchide8 aufkündigte, welcher das Zentrum in Münster seit der Eröffnung 2012 leitet. Der KRM begründete dies damit, dass Khorchide in seinen jüngsten Werken9 nicht nur die Lehre des Islam zu liberal darlegen, sondern in dieser Weise auch die deutsche Politik hofieren würde (Preuss in der SZ vom 1.2.14, 6). Als Verfechter der islamischen Bedürfnisse seiner Gemeinschaften müsste der KRM Khorchides Hermeneutik ablehnen (Dernbach in Der Tagesspiegel vom 13.1.14). Der KRM veröffentlichte ein Gutachten, das aber letztlich nicht einheitlich darüber urteilt, ob Khorchides Ansatz sich noch im „Rahmen“ der islamischen Lehre bewegt. Die Süddeutsche Zeitung berichtete in diesem Zusammenhang über weitere Vorwürfe innerhalb der muslimischen Community: Der Professor sei zu europäisch, zu deutsch oder einfach zu angepasst (Preuss in der SZ vom 1.2.14, 6). Es wurde sogar der Verdacht geäußert, Khorchide würde den Islam weichspülen, um den Ansprüchen ← 20 | 21 → der deutschen Politik zu genügen (ebd.). Dagegen hält Khorchide, dass dem KRM das Verständnis dafür fehle, was Theologie zu leisten habe (ebd.). Letztlich hielten sich die Verbände für die eigentlichen Theologen, so der Erlanger Professor für islamische Religionslehre Harry Harun Behr (ebd.). In diesem Fall stünden sich Volksislam und Wissenschaftlichkeit unvereinbar gegenüber (ebd.). Die Süddeutsche Zeitung beschrieb dies als innergemeinschaftliches Aufeinanderprallen zweier Kulturen, welchen die Muslime in Europa erleben (ebd.).

Der „Fall Khorchide“10 bildet also einen Ausschnitt des Verhandlungsprozesses um die Beheimatung des Islam in Europa ab: Man ist sich weitgehend darin einig, dass der Islam mit Europa vereinbar ist, nur über die Vorzeichen eines in Europa beheimateten Islam wird gestritten (vgl. Abou-Taam, Esser, Foroutan 2011; Flores 2005; Treibel 2006). Wie an dem Beispiel deutlich wird, stellt sich damit die Frage, unter welchen muslimischen Voraussetzungen der Islam zu Europa gehören kann. Welche Ausgestaltung „braucht“ der Islam in Europa, damit er aus muslimischer Perspektive „beheimatet“ ist? Und wie viel staatliche Steuerung verträgt die Religion (Scheliha 2012), sodass Muslime darin noch ihren Islam wiederfinden? „Wie“ können also Islam und Europa vereinbart werden, sodass Muslime von einem beheimateten Islam sprechen würden?

Wie an dieser Frage deutlich wird, braucht es für eine ernsthafte, authentische Beheimatung des Islam die Stimmen der zu Beheimatenden. Die Diskursmacht obliegt dato den westeuropäischen, nichtmuslimischen Residenzgesellschaften und es muss aber in dem Prozess insbesondere darum gehen, dass die Muslime in der europäischen Ausgestaltung des Islam ihren Islam wiederfinden. Der Islam hat einen Anteil an der gegenwärtigen europäischen Identität und der europäischen Religionskultur, deren Anerkennung jedoch noch aussteht. Die gegenwärtige europäische Religionskultur ist daher niemals vollständig erfasst, wenn darin nicht der Islam in seiner europäischen Ausformung, das heißt auch seine Perspektiven zur Vereinbarkeit islamischer und bürgerlicher Zugehörigkeit, einbezogen ist. Davon ausgehend, dass Religion ein innergeschichtliches Phänomen darstellt, unterliegt sie und damit auch ihr Selbstverständnis und die Verhältnisbestimmungen zu anderen Religionen, einem stetigen Wandel (Danz 2008, 90). Ein allgemeingültiges islamisches Konzept kann es diesem Verständnis nach nicht geben. Es gilt daher, die gegenwärtigen Möglichkeiten islamischer Konzepte für die Beheimatungsverhandlung aufzuarbeiten.

Aus den genannten Gründen fragt die vorliegende Arbeit nach dem Spektrum muslimischer Positionen zur Vereinbarkeit von Islam und Europa. Eine Antwort ← 21 | 22 → darauf sollen muslimische Europa-Konzepte geben: Mit den Europa-Konzepten der muslimischen Denker Tariq Ramadan, Mustafa Cerić und Navid Kermani erschließt sich, welches „Europa“-Verständnis es Muslimen erlaubt, gleichermaßen Bürger Europas und Muslim zu sein. Auf dieser Grundlage ist es das Ziel, gegenwärtige muslimische Positionen zu den Perspektiven und Grenzen Europas für die islamische wie die bürgerliche Zugehörigkeit zu erschließen. Damit ist angestrebt, das Feld an Positionen in der Beheimatungsverhandlung des Islam zu aktualisieren. Indem die muslimischen Positionen einen Teil der westeuropäischen Gesellschaft ausmachen, ist dies auch eine Ergänzung von Positionen zur Religiosität und zum Bürgersein in Westeuropa im Allgemeinen. Insofern handelt es sich – in seiner Gänze – auch um eine Aktualisierung zum Verständnis der europäischen Religionskultur der Gegenwart, in die die islamische Religion in seiner europäischen Erscheinungsform einzurechnen ist.

Zur Terminologie

Die Europa-Konzepte werden in der vorliegenden Arbeit nicht deskriptiv, sondern als programmatische und strategische Entwürfe verstanden (vgl. Schmidbauer 2011, 20). Als Konzepte fassen sie die Ideen von Ramadan, Cerić und Kermani (jeweils) aus den einzelnen Quellen der Autoren dazu zusammen, wie die islamische und die bürgerliche Zugehörigkeit miteinander vereinbart werden können. Dies geschieht im Rahmen eines Europa-Begriffs, in welchem das islamische Leben für Westeuropa bestimmt wird. Somit werden die Konzepte fortan als islamische Europa-Konzepte bezeichnet. Sie zeichnen sich dabei durch ihre Lageeinschätzung und die Festlegung von strategischen Koordinaten sowie von Maßnahmen als Konzepte aus (vgl. Schmidbauer 2011, 20). Die Verwendung des Europabegriffs ist in der vorliegenden Arbeit eine zumeist konzeptionelle. Zudem wird auf den Begriff „Westeuropa“ zurückgegriffen, um eine lebensweltliche Verortung – z. B. das islamische Leben in Westeuropa – auszudrücken. Die Aussage ist bewusst eingeschränkt formuliert, da sich diese Unterscheidung nicht unbedingt in den zitierten Beiträgen wiederfindet, sodass sie nicht konsequent durchgehalten werden kann.

Im Zentrum dieser Arbeit steht der Begriff der Zugehörigkeit – im Englischen „belonging“11 – um die konzipierte (Rück-)Gebundenheit und Verortung von Muslimen in Westeuropa zu umreißen. Allgemein drückt Zugehörigkeit aus, ← 22 | 23 → dass man sich zu Hause fühlt (Yuval-Davis, Kannabiran, Vieten, 2006, 2f.). Dazugehören bedeutet, sich als Teil einer Gemeinschaft akzeptiert zu fühlen, in der man sich sicher fühlt und auch die Möglichkeit hat, Einfluss auf diese auszuüben (ebd.). Der Begriff der Zugehörigkeit ist eng mit dem Identitäts- und Bürgerschaftsbegriff verbunden, aber muss von diesem unterschieden werden (Müller 2013, 130f.; Anthias 2006, 21f.). Identitäten können als Narrative verstanden werden, die Personen über sich und andere erzählen (Anthias 2006). Die Bürgerschaft ist durch Rechte und Pflichten gekennzeichnet, die an eine Mitgliedschaft gebunden sind (Müller 2013, 131). Der Zugehörigkeitsbegriff kann Aspekte beider Begriffe einschließen und ist mit ihnen aber nicht vollends erschlossen, da er zudem „Gefühle und Erfahrungen in Bezug auf die Position, die das Individuum in der sozialen Welt einnimmt“ meint (ebd.). Die Frage nach der Zugehörigkeit erhält eine besondere Relevanz, wenn das Gefühl entsteht, dass man eben nicht zu einem sozialen oder geographischen Ort dazugehört (Anthias 2006 21 f.; Yuval-Davis et al. 2006, 3). Die Kategorie der Zugehörigkeit verweist immer auch auf die Kriterien der Nicht-Zugehörigkeit. So beinhaltet die Zugehörigkeit Aspekte des Einschlusses und Ausschlusses, des Zugangs und der Partizipation von Personen bzw. Personengruppen (Anthias 2006; 21 f.; Müller 2013).

Der alternative Begriff der Identität scheint aus mehrerer Hinsicht nicht dienlich. Wenn es um das Zusammenkommen von mehreren (Identitäts-)Anteilen geht, bietet sich die Kategorie der „islamisch-europäischen Identität“ an, da sie auf eine Vereinheitlichung verweist, die sich so in der Empirie nicht finden lässt (Tiesler 2006, 33). Dem Begriff haftet zudem etwas Statisches an, während es jedoch das Ziel sein soll, die islamischen Europa-Konzepte als Teil eines Verhandlungsprozesses zu verstehen, die im Kontext von „Fremd- und Selbstzuschreibungen kollektiver kultureller, religiöser oder ethnischer ‚Identitäten‘ im Zusammenhang von Anerkennungspolitiken und der Definition und Institutionalisierung sozialer Räume“ stehen (Tiesler 2006, 34). Dagegen bietet sich der Zugehörigkeitsbegriff für den angestrebten Konzepte-Vergleich als eine dynamische Kategorie an, um die (konzeptionelle) Verortung von Muslimen im Verhandlungsprozess um ihre bzw. die Beheimatung des Islam zu untersuchen (vgl. ebd., 33ff.). Der Zugehörigkeitsbegriff dient als Kategorie, um die inhaltlichen Verständnisse von Islam und Europa sowie deren Beziehung zueinander darzustellen. ← 23 | 24 →

Die Frage nach einer Vereinbarkeit von islamischer und bürgerlicher Zugehörigkeit verlangt immer auch, das jeweilige Begriffsverständnis offenzulegen. Die islamische Zugehörigkeit impliziert als eine Religionszugehörigkeit eine theologische Dimension, das heißt für den Gläubigen eine transzendente Dimension (Niedermüller 1998). Damit ist der Begriff z. B. von einer ethnischen Zugehörigkeit abzugrenzen (vgl. ebd.). Die bürgerliche Zugehörigkeit impliziert die Idee des Bürgerlichen, welche mit Freiheit, Gleichheit und politischer Partizipation in Verbindung gebracht wird (Frank 2004). Sie umfasst die Merkmale privater und ökonomischer Selbstbestimmung, Arbeit und Aufbau von Eigentum, politischer Partizipation und gesellschaftlicher Verantwortung und dies besonders mit Blick auf Emanzipation, Gleichberechtigung und ökologischem Bewusstsein (ebd.). Mit Hilfe der islamischen Europa-Konzepte sollen muslimische Innenperspektiven zu den Vorstellungen von islamischer und bürgerlicher Zugehörigkeit herausgearbeitet werden, um sie zusammenzubringen.

Zum Aufbau der Arbeit

Das erste Kapitel beginnt mit einem historischen Aufriss, um den Forschungsgegenstand einzugrenzen: Es geht um die seit Mitte des 20. Jahrhunderts nach Westeuropa gekommenen Migranten, die sich zum Islam zugehörig fühlen. Darüber hinaus widmet sich das Kapitel dem Stand der europäischen Islamforschung, die Aufschluss über die Verhandlung des Islam geben und somit zugleich als Kontext der islamischen Europa-Konzepte gelten kann. Dabei konzentriert sich dieser inhaltliche Abschnitt auf drei dominante Ebenen im akademischen Diskurs: Die Ansätze zum (1) islamischen Leben in Westeuropa, die (2) nationalstaatlichen Bedingungen Westeuropas sowie (3) einen Ansatz auf konzeptioneller Ebene, welcher über die „europäische Identität“ den Ort für den Islam verhandelt.

Zunächst fokussieren die Ansätze zur Dimension islamischen Lebens die zentralen Tendenzen einer islamischen Präsenz, die mit den muslimischen Migranten entstanden ist. Von Bedeutung ist dabei die beobachtete Ausgestaltung der islamischen Zugehörigkeit durch die muslimischen Migranten und ihren Nachfahren angesichts des westeuropäischen Kontextes.

Ausgehend von der Forschungserkenntnis, dass die Bedingungen der westeuropäischen Nationalstaaten einen entscheidenden Rahmen für die Beheimatungsverhandlung bilden und zudem als möglicher Kern für die Konflikte in der Verhandlung ausgemacht werden (z. B. Spohn 2008; Nielsen 2004; Cesari 2002), wird auch zu ihrer Rolle in der Verhandlung der Stand der Forschung abgebildet. ← 24 | 25 → Hierbei steht die Beurteilung der jeweils unterschiedlich gelagerten Religionsfreiheit und Umsetzung der Säkularität im Zentrum.

Die dritte und konzeptionelle Ebene – als ausdrücklich verhandelnder Diskurs um Wege zur Beheimatung des Islam – ist durch nichtmuslimische Positionen getragen. Sie fragt nach der europäischen Identität und der ihr innewohnenden Verortung von Religion. Auf dieser Ebene wird über eine Neuverortung von Religion angesichts des Islam verhandelt. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage nach einem christlichen Bezug und dessen Konsequenz für eine Beheimatung des Islam in die europäische Religionskultur. Diese Ebene wird im späteren Ergebnisteil unter 9.2 für eine reflexive Schlussbetrachtung als Feld nichtmuslimischer Positionen im Verhandlungsdiskurs herangezogen.

Im Rahmen des zweiten Kapitels wird das methodische Vorgehen für diese Arbeit dargelegt. Dem wird eine Positionierung in der Differenzhermeneutik zugrunde gelegt. Für das Vorgehen im Forschungsprozess wird das vorliegende Material in seinem Entstehungskontext vorgestellt. Zudem legt es zum einen die Methodik dar, mit der aus dem Material die islamischen Europa-Konzepte generiert werden, sowie zum anderen den Ansatz zum Vergleich jener Konzepte.

Darauf folgt ab dem dritten Kapitel die Auseinandersetzung mit den für diese Arbeit zentralen islamischen Europa-Konzepten. Dabei werden zunächst die Konzepte Tariq Ramadans (Kapitel 3) und Mustafa Cerićs (Kapitel 4) dargestellt und verglichen (Kapitel 5), da sie einen ähnlichen Ausgangspunkt für ihren Ansatz anbieten. Dem wird das dritte Konzept von Navid Kermani kontrastierend gegenübergestellt (Kapitel 6), insofern es einen völlig anderen Ausgangspunkt wählt. Im Anschluss an einen Vergleich dieser drei Europa-Konzepte (Kapitel 7) folgt in einem achten Kapitel die in diesen drei muslimischen Perspektiven auszumachende Spannbreite an islamischer und bürgerlicher Zugehörigkeit.

Der daran anschließende Ergebnis-Abschnitt (Kapitel 9) zeigt an den Europa-Konzepten das Beziehungsspektrum zwischen islamischer und bürgerlicher Zugehörigkeit sowie ihre Konsequenzen für eine Beheimatung auf. Es schließt mit einer differenzhermeneutischen Reflektion ab (9.2), in dem es die Bedeutung der Ergebnisse für die zukünftige Verhandlung um die Beheimatung des Islam in Westeuropa reflektiert. Die im ersten Kapitel erfassten nichtmuslimischen Positionen werden als konzeptionelle Verhandlungsebene hinzugezogen, um die islamischen Europa-Konzepte in ein Außenverhältnis zu setzen und so den Erkenntnisgewinn durch die Konzept-Ergebnisse zu erfassen. Die islamischen Innenperspektiven sollen somit für die weitere, (noch) einseitig durch die nichtmuslimische Mehrheitsgesellschaft geprägte Verhandlung fruchtbar gemacht werden. ← 25 | 26 →

Alles in allem mag die vorliegende Arbeit zu islamischen Europa-Konzepten als ein Beispiel dienen, welches eine Spannbreite islamischen Lebens in Westeuropa offen legt. Dies wiederum zeigt die vielschichtigen Anforderungen an die Muslime auf, durch die die Verortung des Islam einem komplexen Balanceakt gleichkommt.12


1 Vgl. Kapitel Europa-Islam.

2 Dazu sind insbesondere die Initiation der Deutschen Islamkonferenz im Jahr 2006 (vgl. dazu Tezcan 2012), die Etablierung des islamischen Religionsunterrichts (z. B. Bergmann & Ucar 2010; Ucar, Blasberg-Kuhnke, Scheliha 2010), die universitäre Ausbildung von islamischen Religionslehrern und Theologen (z. B. Ucar 2011), die neueren Staatsverträge in Hessen sowie den Städten Bremen und Hamburg zu nennen.

3 Siehe dazu Spiegel Online vom 26.9.2012 URL: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/merkel-islam-ist-ein-teil-von-deutschland-a-858218.html. Vgl. Meier-Braun 2011, 335.

4 Darin insbesondere die Beiträge von De Nève; Yendell und Götze, Jaeckel & Pickel.

5 Dies äußert sich bspw. im fest etablierten Tag der offenen Moschee am Tag der deutschen Einheit, dem Islamunterricht an deutschen Schulen, die zunehmende Entdeckung muslimischer Bedürfnisse in Bezug auf ihre Pflege in Krankenhäusern, ihre letzte Ruhestätte.

6 Der öffentlich gewordene Konflikt stellt sich vielschichtiger dar, während die hiesige Ausführung sich auf eine Dimension konzentriert. Siehe dazu z. B. Topçu auf Qantara.de vom 3.2.2014 epd vom 26.1.2014.

7 Der Koordinationsrat der Muslime in Deutschland (KRM) ist der Zusammenschluss der vier großen muslimischen Organisationen in Deutschland: Der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD), der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (DİTİB), der Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland (IR) und der Verband der Islamischen Kulturzentren (VIKZ). Der KRM wurde im Rahmen der Deutschen Islamkonferenz 2007 gegründet.

8 Mouhanad Khorchide arbeitete sowohl als Imam als auch als Religionslehrer. Seit 2010 ist er Professor für Islamische Religionspädagogik am Centrum für Religiöse Studien (CRS) an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster.

9 „Islam ist Barmherzigkeit. Grundzüge einer modernen Religion“ (2012) und „Scharia – der missverstandene Gott“ (2013).

10 So bezeichnete Dernbach den Konflikt (Dernbach im Tagesspiegel vom 13.1.14, 21).

11 Der Begriff „belonging“ wurde im englischsprachigen Raum geprägt (z. B. Migdal 2004, Geschiere 2009) und findet im deutschsprachigen Raum nicht umfassend, aber zunehmend Anwendung (z. B. Mecheril 2003, Tiesler 2006, Rosenthal & Bogner 2009). Wie bspw. Tiesler (2006) werde ich in der vorliegenden Arbeit den entsprechenden Begriff „Zugehörigkeit“ verwenden.

12 In der vorliegenden Arbeit orientiert sich die Umschrift der arabischen Begriffe grundsätzlich an der deutschen Schreibweise, welche in den Medien und in wissenschaftlichen Artikeln am häufigsten verwendet wird, wobei Zitate eine Ausnahme bilden. Eigenbezeichnungen von bosnischen und türkischen bzw. bosnisch- und türkischstämmigen Autorennamen werden weitestgehend berücksichtigt. Die Verwendung des generischen Maskulinums schließt das andere Geschlecht ein, außer, wenn die weibliche grammatikalische Form explizit eingesetzt wird.

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1.  Islam und Europa: Entwicklungen, Bedingungen und Diskurse

1.1  Historischer Aufriss – Die Entdeckung der Muslime

Die Frage, ob und wie islamische und bürgerliche Zugehörigkeit innerhalb Europas – als ideengeschichtliches, politisches Konzept – miteinander vereinbart werden können, ist seit Jahrzehnten im Diskurs um den Islam in Europa vorherrschend. Dieser Diskurs setzte in den 1980er Jahren ein, als sich die westeuropäische Öffentlichkeit einer islamischen Präsenz gewahr wurde. Die „neuen“ Muslime waren bereits Jahrzehnte vorher in die westeuropäischen Länder migriert, aber bislang hatte die Forschung sich ihnen nicht aufgrund ihrer religiösen Zugehörigkeit gewidmet.

1.1.1  Muslime in Westeuropa

Details

Seiten
479
Jahr
2016
ISBN (PDF)
9783653066678
ISBN (ePUB)
9783653959680
ISBN (MOBI)
9783653959673
ISBN (Hardcover)
9783631673850
DOI
10.3726/978-3-653-06667-8
Sprache
Deutsch
Erscheinungsdatum
2016 (Juni)
Schlagworte
Tariq Ramadan Mustafa Ceric Identitätsdiskurs "Europa" Navid Kerman
Erschienen
Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2016. 479 S., 2 Graf.

Biographische Angaben

Vivien Neugebauer (Autor:in)

Vivien Neugebauer studierte Ev. Theologie sowie «Religion im kulturellen Kontext» in Osnabrück und Hannover. Sie promovierte als Stipendiatin der Forschergruppe «Bürgerschaft und Zugehörigkeit in Europa». Als Studienleiterin an der Ev. Akademie Loccum arbeitet sie zu religions- und migrationspolitischen Themen.

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Titel: Europa im Islam – Islam in Europa
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